Wir wollen Schwein haben. Natürlich auch im übertragenen Sinne des Wortes. Ein bisschen Glück im Leben kann ja schließlich jeder gebrauchen. Aber wir meinen es hier ernst: Ein echtes Schwein wollen wir haben. Die nicht mehr ganz so taufrischen Mitmenschen unter uns können sich noch daran erinnern, dass der ein oder andere Nachbar oder gar die eigenen Eltern ein Schwein im Garten stehen hatten. Man hörte es Grunzen und Quieken, und es war selbstverständlich, dass es sein Ende als Kotelette, Eisbein oder Blutwurst fand. Es wurde mit Genuss als etwas Besonderes, was es nicht alle Tage gab, verzehrt. Kaum etwas wurde weggeworfen. Alles war wertvoll. Wer kennt denn heute noch Schweinskopfsülze?
Wo finden wir heute noch ein Schwein? Die Ställe sind isoliert und unzugänglich. Viele Ge- und Verbote verhindern den direkten Kontakt. Mensch und Schwein treffen sich also in aller Regel nur beim Metzger, wo das Schwein, bereits fein portioniert, in der Auslage liegt, oder beim Discounter, in der Kühltheke, unter Folie verpackt, liegend. War das wirklich mal ein Lebewesen? Und wie sah es aus? Dürfen wir überhaupt Tiere essen? Schon rührt sich das Gewissen und wirft weitere Fragen in den Raum: Was ist mit dem Klima, was mit der Gülle? Ganz zu schweigen von den Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen und den Fabriken der fleischverarbeitenden Industrie. Und, und, und …
Wir kennen die Antworten auf diese und viele mit dem Thema verbundene weitere Fragen nicht, schon gar nicht die richtigen. Denn was richtig oder falsch ist, muss am Ende jede und jeder für sich selbst entscheiden - durch das eigene Verhalten, die getroffenen Kaufentscheidungen und die individuellen Konsumgewohnheiten.
Mit diesem Projekt wollen wir anregen, sich mit dem Thema individuell auseinanderzusetzen. Wir wollen Denkanstöße liefern, offensichtliche Fehlentwicklungen anprangern, Klischees hinterfragen, Schuldzuweisungen außen vor lassen, Blickwinkel verändern und ganz viele Informationen zugänglich machen.
Wir wollen gemeinsam mit euch eine je eigene Haltung und Meinung entwickeln.
Star des Projektes wird unser Schwein sein. Es wird keine unsichtbare anonyme Fleischquelle sein, sondern ein Lebewesen, ein Nutztier, welches für unseren Verzehr, für unseren Nutzen zur Welt gebracht, aufgezogen und schließlich getötet wird. Im September wird es auf dem „Stautenhof – Mein Biohof“ in Willich-Anrath das Licht der Welt erblicken. Wir werden ihm einen Namen geben, seine Aufzucht und sein Leben bis hin zur Schlachtung verfolgen und begleiten. Währenddessen bieten wir verschiedene Veranstaltungen und Exkursionen an. So liefern wir Informationen für eure Meinungsbildung.
Wir werden nicht alle Facetten dieses äußerst komplexen Themas erfassen oder thematisieren können. Es wird weiter blinde Flecken, kontroverse Ansichten und unterschiedliche Interessenlagen geben. Wir werden weder alle Schweine noch das Weltklima retten.
Erfolgreich wird dieses Projekt am Ende gewesen sein, wenn jede und jeder von euch ihre und seine individuelle Entscheidung zum Thema „Schwein haben“ auf einem informierten und die Zusammenhänge kennenden Niveau treffen kann.
Ein für uns glückliches Projektende wird daneben darin bestehen, dass wir dieses Projekt durchgeführt haben, ohne zerfleischt worden zu sein.